Am 4. April vor 75 Jahren wurde die Landgemeinde Espelkamp durch die Alliierten-Mächte befreit und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten hatte für unseren Raum ein Ende gefunden. Diesem, für die Espelkamper Bevölkerung, besonderen Tag folgte am 8. Mai mit dem VE-Day (Victory in Europe Day) – für die Deutschen als „Stunde Null“ bekannt – das Ende des 2. Weltkriegs in Europa.

Das eingezäunte Munagelände in Espelkamp. (Foto-Quelle: Stadtarchiv)

Unsere kleine Landgemeinde beherbergte im Mittwald, östlich der Landesstraße zwischen Lübbecke und Rahden gelegen, eine seit 1938 in Teilabschnitten gebaute Heeresmunitionsanstalt (im Volksmund „Muna“ genannt). Dort wurde Munition, auch Kampfstoffmunition, produziert und abgefüllt. Durch die alliierte Luftaufklärung bereits im Frühjahr erkannt, blieb sie beim Einmarsch der Truppen aber zunächst unbeachtet.

Kriegstagebuch des 3. RTR am 4. April 1945. (Quelle: Public Record Office/ The National Archives, London)

In den Nachmittagsstunden des 4. April wurde unsere Gemeinde durch einen Allierten Gefechtsverband mit Panzern der 3rd Royal Tank Regiment und Infanteristen der 4th King’s Shropshire Light Infantry Regiment (8. Armeekorps der 2. Britischen Armee) befreit.

Nachdem in den Mittagsstunden bereits Gefechtslärm aus Richtung Levern zu hören war, rollten die britischen gepanzerten Kräfte aus Richtung Varlheide kommend gegen 16 Uhr die Osnabrücker Straße hinauf. Rahden wurde damals von einem Luftwaffenersatzbataillon – es waren mit Handfeuerwaffen, Maschinengewehren und einigen Panzerfäusten bewaffnete teils sehr junge Infanteristen, sowie einige versprengte Wehrmachtssoldaten, und ein paar wenigen gepanzerten Fahrzeugen, u.a. vier Panzerkampfwagen mit ihren Besatzungen eines der Panzerbattaillone der 1. SS-Panzerdivision „Leibstandarte Adolf Hitler“ – verteidigt. Um 16.20 Uhr wird, laut dem Kriegstagebuch des 3. RTR, Geschützfeuer gegen die anrückenden britischen Kräfte aus Richtung Rahden gemeldet (Soldaten hatten sich dort auf dem Gut Hohenfelde/Bückendorf eingegraben). Bereits im freien Gelände wurden die britischen Kampfpanzer in der Sudriede und Im Fang durch Infanteriefeuer aus Stellungen in einzelnen Gebäuden bekämpft. Diese Gebäude wurden sofort von einzelnen vorpreschenden Panzern unter Feuer genommen. Die Anwesen Kolbus, Bödecker, Kropp, Kaufmann und Tirren-Brettholle standen in Flammen und sind dabei teilweise zerstört worden. Im Fang, in der Nähe des Hofes Rose, ereilte einen der deutschen PzKpfw V „Panther“ sein Schicksal. Er wurde getroffen und brannte aus (Noch lange Zeit nach Kriegsende stand das Wrack an der gleichen Stelle). Die deutschen Kräfte wurden gefangen genommen oder setzten sich in Richtung Bohne und dem rückwärtigen Bereich ab. Anschließend klärten weitere alliierte Panzer mit aufgesessener Infanterie im Zuge der Lübbecker Straße in der südlichen Ortshälfte von Rahden auf und der Kampf zog sich, den weichenden deutschen Soldaten folgend, nach Rahden hinein. Ein Teil des Gefechtsverbandes 3. RTR/4. KSLI konnte Rahden ohne Bedrohung seiner linken Flanke südlich durch die Gemeinde Espelkamp umgehen und stoß in Richtung Tonnenheide weiter vor. Um 19.10 Uhr wurden laut KTB britische Aufklärungskräfte nach Espelkamp im Süden in Marsch gesetzt um den dortigen Mittwald zu sondieren, welche bald darauf aber wieder zurückkehrten. Der Volkssturm, der auch in Espelkamp mit Panzersperren eingesetzt werden sollte, kam überhaupt nicht zum Zuge. Die Männer blieben einfach zu Hause als man sie rief, was sicherlich der beste und klügste Gedanke war. Damit waren die Kampfhandlungen in Rahden und unserer Landgemeinde Espelkamp, die nur im nördlichen Bereich direkt betroffen war, am Abend des 4. April beendet. In den folgenden Tagen wurde auch die Muna besetzt. Aus ihr entstand in den Nachkriegsjahren, zunächst als Espelkamp-Mittwald bezeichnet, die neue Stadt Espelkamp. Die alte Landgemeinde Espelkamp hieß fortan Espelkamp-Altgemeinde (Alt-Espelkamp).

Bei den Kämpfen in der Sudriede und Im Fang wurde dieser PzKpfw V „Panther“ abgeschossen, er brannte aus. (Quelle: Repro Stadtarchiv Espelkamp)

In den fünf Jahren des Zweiten Weltkrieges haben wir auch zahlreiche Gemeinde- und Familienmitglieder verloren. Ihnen soll an dieser Stelle erinnert werden. So heißt es auf der Gedenkplatte am Kriegerdenkmal in der Altgemeinde: „Wanderer! Wenn du hier verweilst, falte still die Hände. Denke eh du weiter eilst, einmal an dein Ende. Suchst du eigenen Gewinn, wirst du rastlos Wandern. Diese gaben alles hin. Für das Wohl der Andern.

Einer der ersten Soldaten der Gemeinde Espelkamp ist Gefallen – Wilhelm Schwarze, Nr. 146 Esp. (Quelle: Rahdener Wochenblatt vom 12.3.1940)

Die heutige lebende Generation darf sich Glücklich schätzen, in einer der längsten Friedensperiode der deutschen Geschichte zu leben, und damit den Krieg nur aus Geschichtsbüchern zu kennen. Dennoch sollte man sich die damaligen Ereignisse in der eigenen Heimat und die Gräueltaten der Nationalsozialisten – insbesondere an Jahrestagen wie diesen – ins Gedächtnis rufen und an die eigene Familie erinnern, die diese Jahre, Tage und Stunden miterleben mussten.

Hier noch der aktuelle Zeitungsbericht im Westfalen-Blatt am 04.04.2020 über die Geschehnisse vor 75 Jahren, geschrieben von Manfred Steinmann (Geschichtskreis Espelkamp).